Montag, 20. Januar 2014

Einsam im Hausnotruf

Mein Telefon klingelt. *Anonymer Anrufer* - meistens wenn ich dusche, wenn das Essen fertig ist, wenn ich ins Bett möchte... Ihr kennt das.
Normalerweise gehe ich bei anonymen Anrufern nicht ans Handy- aber wenn ich Dienst habe, dann ist es die Zentrale. "Fahren Sie zu XY - Er/Sie hat gedrückt, aber wir wissen nicht, was los ist"
Hausnotruf. Genau. Die meist älteren Menschen, welche noch in ihrer eigenen Wohnung leben, bekommen ein Armband oder eine Kette mit einem Notfalldruckknopf, damit sie im Notfall Hilfe "herbeidrücken" können.
Also gut. Wieder anziehen- abtrocknen- Herd abstellen- was auch immer ich gerade mache- und losfahren. Selbstverständlich lebt der Hilfesuchende IMMER am anderen Ende der Stadt. Selbstverständlich sind alle Baustellen Bonns IMMER auf den Straßen, die ich nutzen muss.
Angekommen wird erst einmal der Schlüssel gesucht. Alle Schlüssel aller Teilnehmer sind mit Nummern versehen. Erst im Falle eines Einsatzes wird die Adresse mit einer Nummer bekanntgegeben- so dass ich den richtigen Schlüssel heraussuchen kann. Wenn es denn noch der richtige Schlüssel ist. Neue Schlösser, zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen an der Haustür... dass wir den neuen Schlüssel auch benötigen wird oft vergessen. Naja, gibt ja im Zweifel Polizei und Feuerwehr- die freuen sich immer, richtige Einsätze zu bekommen.
Wenn ich den Schlüssel habe, ist die Haustür bei einem Mehrfamilienhaus noch das geringste Problem. Sieben Stockwerke, fünf Wohnungen pro Stockwerk und keine Namen an der Tür. Wieso auch, man weiß ja wo man wohnt. Nur..ich weiß es leider nicht. Also beginnt man im obersten Stockwerk und arbeitet sich abwärts (dann ist es meist die Tür direkt neben der Hauseingangstür) oder ich beginne im Erdgeschoss und arbeite mich hoch (der Teilnehmer wohnt natürlich im Dachgeschoss!) Ausschlussverfahren hilft hier: Turnschuhe vor der Tür? Hier wohnt kein alter Mensch. Kinderspielsachen? Hier auch nicht. Kunstblumenkranz an der Haustür? Oh- das könnte sein- mal hören ob der Fernseher laut eingestellt ist. Irgendwann findet man die richtige Wohnung- oft durch Hilfe der Zentrale, welche das Telefon des Teilnehmers so lange klingeln lässt, bis ich durch irgendeine Tür das Telefon hören kann.
Ich schließe auf. Nachts ein komisches Gefühl. Liegt da wer? Schläft derjenige und hat aus Versehen auf den Knopf gedrückt? Ist der Teilnehmer tot? (Ja, auch das hatte ich schon - ein sehr unangenehmes Gefühl eine Leiche zu finden und dort zu warten, bis Polizei und Rettungsdienst kommen- während man anstandshalber und weil es das Gesetz gebietet, reanimiert)
Dieses Gefühl, vollkommen alleine zu sein, habe ich selten - aber immer Nachts vor fremden Haustüren. Es ist schon etwas anderes, im Rettungsdienst mit dem Kollegen zusammen zu sein.
Bestenfalls schläft der Teilnehmer und ist aus Versehen an den Knopf gekommen. Ich höre in das Zimmer, bis ich das gleichmäßige Atemgeräusch vernehmen kann. Innerlich voller Angst, dass der Teilnehmer aufwacht und mich mit dem aus Sicherheitsgründen im Bett liegenden Messer attackiert. (Klar, jeder alte Mensch hat ein Messer im Bett... wenn nicht das, dann einen Baseballschläger. Aber so denke ich halt).
Schlimmer noch, dass der Teilnehmer aufwacht, vollkommen gesund- aber dann vor Schreck einen Herzinfarkt erleidet und vor meinen Augen stirbt. Das zumindest würde MIR passieren, wenn ich nachts aufwache und ein fremder Mensch vor meinem Bett steht.
Zu 99 % schläft der Teilnehmer nachts. Tagsüber ist er gestürzt. Ihm wird aufgeholfen, in den Sessel gesetzt- fertig. Ich kann gehen. Bestenfalls. Meist jedoch ist es nicht so einfach. Man stürzt, weil es einem schwindelig wurde. Blutdruck messen.... ne- zu niedrig. Das geht so nicht. Alte Menschen stürzen auch nicht einfach so auf den Boden- sie fallen auf den Tisch, die Heizung, gegen den Türstock- wo auch immer ein Hindernis ist- und brechen sich Knochen. Meist den Oberschenkelhalsknochen. Bedeutet: Rettungswagen rufen. Oder sie haben Kopfplatzwunden verbunden mit Beulen, deren Größe ich bewundere. Auch hier: Rettungswagen. Die meisten Kollegen auf dem RTW kenne ich- kommt jedoch mal einer aus dem Umland, dann wie immer die dämliche Frage: "Sie sind vom Pflegedienst?" NEIN. NICHT. "Was können Sie uns über den Patienten erzählen?" NICHTS. Weil ich ihn gar nicht kenne. Ich bin nämlich nicht vom Pflegedienst.... "Aber so eine Mappe haben Sie oder?" AAAAAAARGH. Das ist meist der Zeitpunkt an dem ich mich verabschiede.

Ja, und dann gibt es noch die besondere Art von alten Menschen. Die, die ich so sehr bemitleide. Vor denen ich Angst habe. Die, die im Sessel sitzen und mich mit leuchtenden Augen anschauen, wenn ich die Tür abgehetzt aufschließe. Die, die gedrückt haben, weil sie einsam sind. Die Angehörigen- sofern es welche gibt- wohnen weit, weit weg. Oder ganz nah, aber sind nicht ansprechbar. Weil sie arbeiten. Genervt sind. Gestresst sind.
Die alten Menschen drücken, um sozialen Kontakt zu haben. Zu reden. Zuwendung zu bekommen. Ja, sie haben Pflegedienste- aber die haben keine Zeit für Zuwendung. Die wird ja nicht bezahlt. Ach so- mir natürlich auch nicht, aber wer kann denn da gehen? Wer kann dem alten Menschen sagen, dass man eigentlich essen möchte- duschen möchte- schlafen möchte, wenn so glückliche Augen aus dem verhunzelten Gesicht leuchten? Viele Geschichten habe ich so schon gehört, viele glückliche Momente geben können. Es sind nur Momente. Minuten. Vielleicht eine Stunde.

Es bleibt das Gefühl, ein wenig Gutes getan zu haben. Und die Angst vor dem Alter. Der Einsamkeit.

Montag, 13. Januar 2014

Normal. Ganz normal!

06:00 Uhr: Der Tag ist im vollen Gange, die Tiere gefüttert, der Mensch angezogen, das Geschenk für den Kollegen von den Kollegen eingepackt, der Salat umgefüllt- auf in den Dienst.

06:20 Uhr: Parkplatz gefunden. Gut durchgekommen- es lohnt sich, früh zu fahren. Wie immer. Vollgepackt aus dem Auto gestiegen. 100 m bis zum Büro- bis zum ersten Kaffee- bis zum Aufwachen.

06:30 Uhr: Radio an. PC an. Kaffeemaschine an. Iphone auf den Tisch. Iphone auf den Tisch. Iphone. IPHONE....

06.40 Uhr: Kaffee vergessen. Hektische Iphonesuche überall dort, wo sich Iphones normalerweise verstecken. Meine Schweißdrüsen sind in voller Arbeit, die Gehirntätigkeit lässt nach. Meine Hände zittern. Der Kaffee schmeckt nicht.

06:50 Uhr: Erster Kollege kommt. Contenance bewahren. Lächeln. Guten Morgen wünschen. Tür zu. Weitersuchen.

07:10 Uhr: Zweiter Kollege kommt. "Hast du die WA gelesen? Meltem kommt heute nicht". "Ich habe mein Handy vergessen...". MEIN HANDY. Liebes Iphone es tut mir leid. Anders konnte ich es nicht kompensieren. Mitleidiges Lächeln meines Kollegen. Ich weine leise.

08:10 Uhr: Es ist geklärt. Bekomme mein Iphone um 13 Uhr gebracht. Habe mir viele Gedanken gemacht, wie ich die Zeit bis dahin kürzer gestalten könnte. Arbeiten zum Beispiel. Meine Gefühle niederschreiben. Soll ja helfen. Mir vorstellen, wie ich es Sonntags schaffe, wenn ich länger schlafe. Auch ohne Iphone. Beruhige mich langsam.

11.30 Uhr: Habe tatsächlich nicht oft auf die Uhr geschaut. Höchstens alle 5 Minuten einmal. Und auch das nur, wenn ich am Schreibtisch war- sonst habe ich ja keine Uhr. Habe ja ein Iphone. HIMMELHERRGOTTWANNIST13UHR!


Bin stolz auf mich. Habe den Vormittag fast geschafft. Der Tag kann nur besser werden!

Mittwoch, 8. Januar 2014

Mein Coming Out

Tja, wie soll ich es sagen. Es fällt mir nicht leicht, weiß ich doch nicht, ob ich gesellschaftlich noch anerkannt bin, wenn ich nun mein Coming Out über einen Blog geschehen lasse.

Ich bin ein Mensch. 


Wenn ich ehrlich bin, dann ist mir die sexuelle Ausrichtung meines Gegenübers vollkommen egal. Ich verstehe die Menschen nicht, die sich mit einem "Ich bin übrigens homosexuell, guten Tag" vorstellen. Ich mache das nicht. Ich grüße und mache im Tagesgeschäft weiter.

Ob der Sachbearbeiter in der KFZ-Zulassungsstelle von Männern träumt? Mir egal
Ob die Verkäuferin an der Kasse abends mit ihrer Freundin im Bett kuschelt? Mir egal

Wichtig ist mir, dass mein Auto ordentlich angemeldet ist und der Kassenbon am Ende stimmig ist.

Schade, dass es nicht möglich ist, seinen "Partner"- egal welchen Geschlechtes- einfach mitzubringen zu einer Veranstaltung. DAS wäre Applaus wert- wenn nicht darüber gesprochen sondern einfach danach gelebt wird. Wenn niemand den Kopf verdreht, weil eine Frau eine Frau oder ein Mann einen Mann küsst. Wenn man sein Privatleben im Privaten erleben darf ohne dass es jemanden interessiert, WIE man es er- und auslebt.

Ist ein homosexueller Mensch charakterlich schlecht? Arbeitet er anders? Kann er nicht rechnen, schreiben. lesen? Ist er nicht lernfähig? Ist es unmöglich, als Homosexueller (guten) Sport zu treiben? Ist die Politik von Homosexuellen verfassungsfeindlich?

Na also. Wieso also einen Wirbel um die sexuelle Ausrichtung von Menschen machen, die so normal wie du und ich sind.